Abschlussbericht zum AGSÖ-Forschungsstipendium der ÖGS
Gastbeitrag von Fabian Gruber, erstellt im Rahmen des AGSÖ-Forschungsstipendiums der ÖGS
Im Rahmen dieses Abschlussberichts möchte ich die Ergebnisse meiner Forschung vorstellen, welche durch das Forschungsstipendium der österreichischen Gesellschaft für Soziologie (ÖGS) und des Archivs für die Geschichte der Soziologie in Österreich (AGSÖ) unterstützt wurde. Das Forschungsvorhaben war als Masterarbeit konzipiert und wurde im WS 2022/23 an der Universität Wien unter dem Titel „Else Frenkel-Brunswik – Einheitswissenschaft und Interdisziplinarität“ eingereicht. Mein Ziel war es dabei in einem doppelten Sinne zu einer umfassenden Rezeption Frenkel-Brunswiks beizutragen: Zum einen durch die Wahl des Forschungsgegenstands und zum anderen durch die Wahl der Methode.
Im Zentrum der Analyse stehen die bisher wenig beachteten frühen empirischen Studien der Autorin (1937, 1939, 1942). Diese frühen Publikationen unterscheiden sich von späteren Arbeiten insofern, als dass in ihnen der offene interdisziplinäre Austausch mit der Psychoanalyse und dem logischen Empirismus noch vermieden wird bzw. oft nur angedeutet wird. Der Ausgangspunkt meiner Untersuchung ist demnach die Frage, inwiefern sich bereits im Frühwerk Frenkel-Brunswiks interdisziplinäre Ansätze finden und wie sich diese beschreiben lassen.
Darüber hinaus ergänzt die Methode der Untersuchung den bisher zumeist biographischen Rezeptionsstil. Anstatt die Rezeption der Studien in der Biographie Frenkel-Brunswik zu verankern, wird der Forschungsfrage im Rückgriff auf Primärtexte und Archivalien aus dem Nachlass Frenkel-Brunswiks nachgegangen. Das AGSÖ bietet hierfür den Zugang zu vergriffenen Publikationen Frenkel-Brunswiks und ermöglicht durch die Archivalien einen lebendigen Einblick in ihre wissenschaftliche Tätigkeit. Verwendete Archivalien umfassen unter anderem unveröffentlichte Manuskripte sowie die Briefkorrespondenz. Um die Gefahr einer ahistorischen Analyse der Primärtexte zu vermeiden, wird der historische Kontext im Rückgriff auf das Konzept der (kommunikativen) Wissenskulturen eingeholt. Dadurch lassen sich die Psychoanalyse und der logische Empirismus als Wissenskulturen beschreiben, deren Wissenbestände Gegenstand kommunikativer Aushandlungsprozesse sind. Gegenwärtige Literatur zum logischen Empirismus verdeutlicht etwa, dass sich beim Wiener Kreis nicht von einer homogenen philosophischen Schule sprechen lässt, sondern vielmehr um einzelne Individuen mit teils unterschiedlichen Positionen.
Anhand dieser Beschreibung als vielschichtige Wissenskulturen, lassen sich die jeweiligen Einflüsse auf Frenkel-Brunswiks Arbeiten nachzeichnen. Ein Einfluss lässt sich demnach daran erkennen, dass einzelne Aspekte aus den Arbeiten Frenkel-Brunswiks auf Diskurse der beiden Wissenskulturen verweisen. Interdisziplinarität wird in diesem Zusammenhang als ein Übersetzen, ein Zusammenführen oder ein Vermitteln zwischen den beiden disparaten Wissensbeständen verstanden. Durch diesen konzeptionellen Rahmen lassen sich biographische Narrative hinterfragen und inhaltlich an den Publikationen überprüfen.
Als Ergebnis der in meiner Forschungsarbeit erfolgten Rekonstruktion ist festzuhalten, dass sich die Einflüsse auf Frenkel-Brunswiks eigenes Forschen in verschiedener Weisen manifestieren können. Im Falle des logischen Empirismus kann dies beispielsweise an der zunehmenden Komplexität der Methodologie oder der Reflexion der wissenschaftlichen Terminologie festgemacht werden. Für den Einfluss der Psychoanalyse spricht eine zunehmende Vertrautheit Frenkel-Brunswiks mit psychoanalytischen Diskursen und Konzepten. Darüber hinaus vollzieht sich im Rahmen der drei untersuchten Arbeiten eine zunehmende epistemologische Öffnung hin zur Eingliederung von interpretativen Ansätzen.
Hinsichtlich der Interdisziplinarität der betrachteten Untersuchungen ist das Vorgehen der Autorin von einer gewissen Vorsicht geprägt: So werden beispielsweise die Bezeichnungen psychoanalytischer Konzepte leicht abgeändert, sobald sie empirisch beforscht werden. Die zentrale These meiner Arbeit lautet dabei, dass auch diese ersten Studien aufgrund der nachweisbaren inhaltlichen Nähe zu den Diskursen der Psychoanalyse und des logischen Empirismus als interdisziplinär zu bezeichnen sind. Wie sich durch die analysierten Studien aufzeigen lässt, beginnt Frenkel-Brunswiks Entwicklung innovativer, interdisziplinärer methodologischer Ansätze also bereits zu ihrer Zeit in Wien, auch wenn diese Einflüsse erst zu einem späteren Zeitpunkt explizit als solche benannt werden.
Den Fokus der Analyse bilden die Arbeiten:
- Frenkel, Else, und Edith Weisskopf. 1937. Wunsch und Pflicht im Aufbau des menschlichen Lebens. Hrsg. Charlotte Bühler und Else Frenkel. Wien: Gerold.
- Frenkel-Brunswik, Else. 1939. Mechanisms of self-deception. The Journal of Social Psychology 10: 409–420.
- Frenkel-Brunswik, Else. 1942. Motivation and behavior. Genetic Psychology Monographs 26: 121–265
Die vollständige Forschungsarbeit ist über die Universitätsbibliothek der Universität Wien verfügbar: Link.