Soziologiekongress 2021: Die Post-Corona-Gesellschaft? Pandemie, Krise und ihre Folgen

Soziologiekongress 2021

Veranstalter: Österreichische Gesellschaft für Soziologie (ÖGS) und Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS)
Zeit: 23. bis 25. August 2021
Ort: Wirtschaftsuniversität Wien
Zur Kongresswebsite geht es hier.
„Alle Räder stehen still, wenn Dein starker Arm es will!“ So lautete die Ermutigung an die Arbeiterklasse als revolutionäres Subjekt im 19. und 20. Jahrhundert, um radikalen gesellschaftlichen Wandel herbeizuführen. Im 21. Jahrhundert ist es ein unbekannter Virus, der eine globale Pandemie auslöst, und wie auf unwiderstehlichen Befehl hin stehen alle Räder still. „Shutdown“ wird eine grundstürzend neue Erfahrung für alle gegenwärtigen Gesellschaften. Es scheint die Chance für eine „Große Transformation“ zu sein, die allenthalben von verschiedenen Seiten gefordert wird. Klimawandel, Umweltzerstörung, Ressourcenraubbau – alles das, was mit modernen Extraktionstechniken assoziiert wird, steht plötzlich zur Disposition. Auch die Globalisierung als Treiber für die Dynamik des gegenwärtigen Kapitalismus wird unversehens in Frage gestellt, obgleich sie in der Vergangenheit trotz aller bitterer Kosten zweifelsohne zum Abbau von globaler sozialer Ungleichheit beigetragen und 300 Millionen Menschen vor allem in China in die Mittelschicht katapultiert hat.
Post-Corona-Gesellschaft – der Titel dieses Soziologiekongresses könnte die Vermutung nahelegen, dass Corona ein Problem der Vergangenheit ist und wir längst auf dem Weg in eine Phase der Normalisierung eingetreten sind. Dies ist ganz offensichtlich nicht der Fall. Corona fordert die Gesellschaft heraus, nach wie vor und auf vielen Ebenen – auch wenn der große Schockmoment, in dem die Welt den Atem anhielt, erst einmal überstanden zu sein scheint. Die Soziologie diskutiert auf virtuellen Tagungen und in Videokonferenzen, wie es weiter gehen kann und welche Lehren aus der anhaltenden Krise zu ziehen sein werden. Wie wird die Post-Corona-Gesellschaft aussehen? Wie geht die Gesellschaft aus einer Situation hervor, in der Wirtschaft, Arbeitswelt und öffentliches Leben einheitlich dem Imperativ der Nicht-Überlastung des Gesundheitssystems unterworfen waren? Vermag diese globale Krisenerfahrung die Weichen umzustellen für eine neue Gesellschaft, die die alten Imperative von Fortschritt, Wachstum, Beschleunigung hinterfragt? Wird sich überhaupt so etwas wie ein Epochenbruch ausmachen lassen oder beschreibt die Post-Corona-Gesellschaft eher eine Phase, in der das Coronavirus allmählich zu einem ganz normalen Gesellschaftsakteur wird (so wie Prionen oder Neutrinos)? Und welche neuen Trends und Tendenzen lassen sich beobachten?
Eines steht für die Soziologie außer Zweifel: Jede Krise prüft den Zustand der Gesellschaft. Getestet werden die Stabilität der Ordnung, das Funktionieren der Institutionen, die Resilienz von Gewohnheiten und Traditionen und natürlich die Lernfähigkeit der Gesellschaft im Umgang mit den Folgen. Für die Soziologie ist die Coronakrise daher ein interessanter Belastungstest für manche ihrer Konzepte und Theorieannahmen: Aus arbeitssoziologischer Perspektive mögen Erfahrungen mit dem Homeoffice die Debatte um die Entgrenzung von Arbeit bereichern. Aus familiensoziologischer Perspektive stellt sich die Frage, inwiefern die (ungleiche) Verteilung von Sorgelasten einen Rückfall in überkommen geglaubte Geschlechterrollen bedeutet. Die Techniksoziologie wird danach fragen, ob Digitalisierung und Künstliche Intelligenz nun noch rascher und flächendeckender durchgesetzt werden als zuvor und welche Folgen Formate digitaler Kommunikation in allen Lebensbereichen haben. Die Politische Soziologie wird sich dafür interessieren, ob extreme Krisen wie die Coronakrise einen bestimmten Typus politischer Herrschaft befördern und welcher Typus von politischer Regierung mit seinem Governance-Stil besser und wirkungsvoller agiert als andere. Aus konfliktsoziologischer Perspektive mag insbesondere interessieren, wie sich jene eigenartig breite Protestbewegung einordnen lässt, die sich im Kontext der Demonstrationen gegen die restriktiven politischen Maßnahmen entwickelt hat und im Feuilleton unter „Pandemie-Pegida“ firmiert. Aus wissenssoziologischer Perspektive irritiert der Boom von Verschwörungstheorien und „Fake News“ – ausgerechnet in einer Krise, die die Bedeutung wissenschaftlicher Expertise unterstrich. Die Umweltsoziologie sorgt sich darum, ob der Ausgang aus der Krise in der unverwandten Rückkehr zur „Normalität“ des globalen Turbokapitalismus besteht, um die materiellen Einbußen so rasch wie möglich aufzuholen, aber eben um den Preis, dass sich der ökologische Verfall unserer Welt noch im 21. Jahrhundert erfüllen wird. Und natürlich die Wirtschaft: Stärkt die Hoffnung auf den Post-Corona-Boom die Legitimationsgrundlage sozialer Marktwirtschaften oder ergibt sich die bereits erwähnte Chance auf eine Große Transformation?
Nicht zuletzt fordert die Coronakrise auch die Gesellschaftstheorie heraus: Welche Folgen hat es für eine funktional differenzierte Gesellschaft, wenn diese extrem dynamische und heterogene Ordnung durch politische Maßgabe auf einen zentralen Leitwert, nämlich den Lebensschutz, programmiert wird? Wie haben die verschiedenen Gesellschaften dieser Welt auf die Pandemie reagiert? Welche Lernprozesse waren zu beobachten? Welche Weichenstellungen wurden vorgenommen und warum? Welche Rückwirkungen wird die Pandemie-Erfahrung für unsere Lebensführung haben? Wie steht es um die Zukunft der Mobilität im Flug-, Bahn- und Autobereich? Bedarf die Moderne mit ihrer sich stets und ständig selbst überbietenden Steigerungslogik des „Schicksals“, etwa in Gestalt eines Virus, um von dem unwiderstehlichen Pfad der permanenten Selbstüberbietung vor dem Horizont der Selbstauslöschung abgebracht werden zu können? Spielt der Virus „Gott“ und kann uns neue Gebote überbringen, die einen nachhaltigen Transformationspfad einzuschlagen erlaubt?
Der Soziologiekongress in Wien wird sich um diesen Fragenkreis drehen. Wie ist es möglich, dass ein aggressiver, grippeartiger Virus schafft, was auf dieser Welt bislang nicht gelingen sollte: Innehalten, Nachdenken und Basisroutinen in Frage stellen? Diesen produktiven Impuls des Coronavirus will der Kongress in Wien aufnehmen und vertiefen. In einer Reihe von Plenarveranstaltungen, Ad-hoc-Gruppen und Sektionsveranstaltungen soll der rationale soziologische Gehalt der gesellschaftsdiagnostisch orientierten These einer Post-Corona-Gesellschaft zur Diskussion gestellt werden.

Plenen

Die Sektionen sind eingeladen, sich am Auswahlprozess der Plenen zu beteiligen. Informationen über das genaue Prozedere wird es im Rahmen der weiteren Aussendungen geben. Die Plenarveranstaltungen könnten sich auf folgende Themen beziehen (ohne darauf beschränkt sein zu müssen):

  1. Die Post-Corona-Gesellschaft: Begriffsproblematik und Krisensemantik
  2. Der Primat des Gesundheitssystems: Probleme und Folgen
  3. Wirtschaft, Wachstum und Wohlstand in Post-Corona-Gesellschaften
  4. Beruf, Familie und Lebensführung: Erfahrungen mit COVID-19 und ihre Folgen
  5. Körper, Selbst und Biosozialität: Krisenerfahrungen und Bewältigungsstrategien
  6. Zwischen Virologie und Verschwörungstheorie: Expertise in der Coronakrise

Sektionsveranstaltungen

Die Sektionen von DGS und ÖGS sind aufgerufen, in jeweiliger Kooperation und nach Möglichkeit gemeinsam mit den Kolleg/innen aus den Forschungskomitees der SGS die Themen ihrer Sektionsveranstaltungen festzulegen und sie den Kongressorganisator/innen zu melden. Jede Sektionskooperation hat die Möglichkeit, eine Session (120 Minuten) zu gestalten. All jene Sektionen, die innerhalb der ÖGS bzw. DGS keine Schwestersektion haben, können ebenfalls Themenvorschläge einreichen. Stichtag für die Meldung von Sektionsveranstaltungen ist der 23. Dezember 2020.

Ad-hoc-Gruppen

Anträge für Ad-hoc-Gruppen können bis zum 1. Februar 2021 gestellt werden. Die Auswahl der Ad-hoc-Gruppen trifft eine Jury, die sich aus Mitgliedern der Vorstände von DGS und ÖGS zusammensetzt. Österreichisch-deutsche Kooperationen werden bei der Auswahl bevorzugt behandelt.
Informationen zum Einreichungs- und Bewerbungsverfahren erhalten Sie in Kürze auf den Homepages von ÖGS und DGS.
AnsprechpartnerIn:
Dr. Sonja Schnitzler (DGS), sonja.schnitzler(at)kwi-nrw.de
Philipp Molitor, BA (ÖGS), office(at)oegs.ac.at
Wir gehen davon aus, dass der Soziologiekongress Ende August 2021 als Präsenzveranstaltung möglich sein wird. Sollte dies wider Erwarten nicht der Fall sein, wird er in virtueller Form durchgeführt werden. Mit Blick auf den Titel unseres Kongresses („Post-Corona-Gesellschaft?“) würden damit die Risiken soziologischer Zeitdiagnostik offenbar. Aber das müssen wir wohl in Kauf nehmen.
Themenpapier Soziologiekongress 2021 in Wien

Wissenschaftliche/r Mitarbeiter/in (Institut für Verbraucherforschung, Universität Gießen)

An der Professur für Kommunikation und Beratung in den Agrar-, Ernährungs- und Umweltwissenschaften (Prof. Dr. Jasmin Godemann,), Institut für Verbraucherforschung, Kommunikation und Ernährungssoziologie der Universität Gießen ist ab dem nächstmöglichen Zeitpunkt eine Teilzeitstelle im Umfang von 50% einer Vollbeschäftigung zu besetzen. Bewerbungsschluss ist der 21.02.2021. Zur Ausschreibung: Hier.

Sociological Knowledges for Alternative Futures (ESA-Conference 2021)

Sociological Knowledges for Alternative Futures. European Sociological Association (31.8.-3.9.2021; hybride oder rein virtuelle Veranstaltung).
Seit 1992 organisiert die European Sociological Association jedes zweite Jahr eine Konferenz in verschiedenen europäischen Ländern. Vom 31. August bis 3. September 2021 werden 3000 Teilnehmer aus aller Welt zur 15. ESA-Konferenz mit dem Thema „Sociological Knowledges for Alternative Futures“ in Barcelona, Spanien, erwartet.
Nähere Informationen finden Sie hier: https://www.europeansociology.org/esa-conference-2021-in-barcelona

Urbane Transformationen: Wohnen | Ressourcen | Öffentliche Räume

INUAS (3.-5.3.2021, virtuelle Veranstaltung)
Die Konferenzreihe „Urbane Transformationen: Wohnen | Ressourcen | Öffentliche Räume“ geht in die zweite Runde. Die Tagung mit dem Schwerpunkt Ressourcen wird vom 3. bis 5. März 2021 an der Hochschule München ausgerichtet. Weitere Informationen finden Sie auf der Konferenzwebsite.

5. Symposium des Netzwerks Konsum neu denken zum Thema Suffizienz

Ein gutes Leben durch weniger Konsum – Widerspruch oder Lösungsweg? Die Bedeutung von Suffizienz für den Konsum der Zukunft ist das Thema des 5. Symposiums Konsum neu denken, dass vom 23.-24. September 2021 an der Universität für Bodenkultur in Wien stattfinden wird. Die Organisation übernehmen Prof. Dr. Petra Riefler und Charlotte Baar, MSc vom Institut für Marketing und Innovation, Department für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität für Bodenkultur Wien.
Neben dem Ansatz der Suffizienz auf individueller Ebene sind institutionelle/politische (z.B. Anreize), gesellschaftliche (z.B. Werte und Normen einer Gesellschaft) sowie makroökonomische (z.B. Postwachstums-Volkswirtschaften) Rahmenbedingungen wichtige Themenfelder, die gesamtheitliche und interdisziplinäre Betrachtung benötigen. Vor diesem Hintergrund entwickelt sich seit einigen Jahren eine fachübergreifende Debatte, die durch die Pandemie aktuell verstärkt wird, ob suffiziente Lebensweisen eine zukunftsfähige Vision für nachhaltige Gesellschaften darstellen können. Generell lässt sich sagen, dass das Konzept der Suffizienz das Paradigma wachstumsorientierter Wirtschaftssysteme in Frage stellt und es Alternativen (Postwachstumsökonomie) bedarf, die den Wohlstand von Gesellschaften trotz Konsumreduktion langfristig gewährleisten.
Die erwähnten Aspekte sind nur einige einer Vielzahl inter- und transdisziplinärer Themen- und Problemfelder, die mit der Vision von suffizienten Konsumgesellschaften einhergehen, und Ideen- und Lösungsfindung bedürfen. Im Rahmen des Symposiums sollen Chancen, Barrieren, Herausforderungen und Rahmenbedingungen für suffizientere Konsumgesellschaften näher beleuchtet und aus unterschiedlichen Perspektiven diskutiert werden.
Das Symposium richtet sich an alle interessierten Personen. Expertinnen und Experten aus Wissenschaft (Wirtschaftswissenschaften, Soziologie, Psychologie, Philosophie, Nachhaltigkeitsforschung, Bildungswissenschaften, Fachdidaktik, Politikwissenschaft und andere) und Praxis (Politik, Unternehmen, Lehrpersonen an Schulen, NGOs, Soziale Bewegungen) sind ebenso eingeladen, wie Bürger*innen mit Erfahrungen in suffizienten Lebensweisen.
Wissenschaftliche Beiträge in Form von Extended Abstracts (Länge max. 2 A4-Seiten, inkl. Angabe von Kontaktdaten, dem Titel der Arbeit und Inhaltsbeschreibung) können bis spätestens 14. Mai 2021 über die Konferenzwebseite eingereicht werden. Doktoratsstudierende und Nachwuchswissenschaftler*innen sind ausdrücklich zur Einreichung von Beiträgen eingeladen.
Die ausführliche Beschreibung des Themas des 5. Symposiums und die Möglichkeit zur Teilnahme finden Sie hier. Wir würden uns freuen, Sie auf dieser Veranstaltung begrüßen zu dürfen.

CfP: Kindheit und Pandemie – Diskurse, Räume, Institutionen (Soziologiekongress)

Kindheit und Pandemie – Diskurse, Räume, Institutionen
Call for Papers
für die gemeinsame Sektionsveranstaltung der DGS Sektion »Soziologie der Kindheit« und der ÖGS Sektion »Stadtforschung« auf dem Soziologiekongress 2021 Post-Corona-Gesellschaft? Pandemie, Krise und ihre Folgen vom 23.-25. August 2021 in Wien
Organisator*innen: Christoph T. Burmeister, Raphaela Kogler, Lars Alberth
Call als PDF: Hier.
Alltägliche Praktiken, Routinen und Gewohnheiten der Kinder sowie im weiteren Sinne von Kindheit und Erwachsenheit sind seit Beginn der Pandemie durch die getroffenen politischen Maßnahmen in erheblichen Maße tangiert worden. Aktivitätsmöglichkeiten der Kinder etwa wurden in unterschiedlichen institutionellen Räumen eingeschränkt, wobei nicht nur physische Bewegungsfreiheiten, sondern auch allgemein soziale Interaktionen von und mit Kindern begrenzt worden sind. Dabei hat die Pandemiebekämpfung nicht nur schlicht zu räumlich-institutionellen Einschränkungen geführt, es wurden überdies auch neue räumliche, institutionelle Konstellationen formell wie informell hervorgebracht. So lassen sich ausgehend von Kontakteinschränkungen sowie zahlreichen Öffnungs- und Schließungsmechanismen verschiedene Raumtypen und Raumkonfigurationen für Kinder und Kindheit/Erwachsenheit ausmachen. Verbote, Empfehlungen und Restriktionen beziehen sich in Zeiten der Pandemie – geographisch und zeitlich – auf physische Räume der Kinder (z.B. Bedeutung des nahen Wohnumfeldes), definierte Spiel- und Freiräume (z.B. Spielplatzverbote), institutionelle (z.B. Familie, Vereine) sowie mediale Räume. Damit einhergehend werden neben den häufig debattierten Bildungsungleichheiten ebenso generationale Ungleichheiten (z.B. Rolle des Kindes bei der Gestaltung des Lockdowns im familialen Kontext) und sozialräumliche Ungleichheiten (z.B. Stadt- und Landkindheit) tragend.
Doch obwohl Kinderkulturen von den politischen Maßnahmen so entschieden berührt wie beeinflusst werden und »Kinder« häufig Gegenstand des politischen, öffentlichen, wissenschaftlichen Corona-Diskurses sind, bleiben Kinder selbst merkwürdigerweise – oder typischerweise – weitestgehend abwesend. Allenthalben werden in diesem Kindheiten konstruiert, die Kinder vornehmlich als Problem von Sorgearbeit angesichts des Gebots und/oder der Notwendigeit adultiver Lohnarbeit erscheinen lassen, die Kindheit auf Bildung sowie bedrohte Bildungszertifikate reduzieren und die die »kindliche Entwicklung« als gefährdet markieren. Kurzum, Kindheit ist in diesem Diskurs einerseits zentrales Problemelement gegenwärtiger vergeschlechtlichter Sorgearbeitsverhältnisse, andererseits wird sie vornehmlich auf das Ausbilden von Humankapital zum zukünftigen gesellschaftlichen Reüssieren bezogen.
Diese Spannungen als »Rückfall« in überkommen geglaubte vergeschlechtlichte und generationale »Rollen« zu deuten, verkennt die Zentralität von Kind und Kindheit/Erwachsenheit für die Strukturen und Mechanismen kapitalistisch-gesellschaftlicher Reproduktion. So gesehen, würde die »Corona- Gesellschaft« weniger einen emanzipativen Schritt zurück bedeuten, als bestehende historisch grundierte und strukturell fundierte vergeschlechtlichte und generationale Ungleichheitsverhältnisse offensichtlich machen.
Diesen Diskursen, Räumen und Institutionen des Zusammenhangs von Kindheit und Pandemie und damit dem Wie und Was der »Corona-Gesellschaft« wollen wir in der gemeinsamen Veranstaltung analytisch-reflektierend nachgehen. So sind Beiträge, die unter anderem eine der folgenden Fragen aus theoretisch-konzeptueller oder empirischer Sichtweise bearbeiten, herzlich willkommen:

  • Welche Ausgestaltungen von Kindheit(en) lassen sich in pandemischen Zeiten identifizieren?
  • Welche Bedeutungen besitzen aus Sicht der Kinder öffentliche, urbane, private und familiale
    Räume in Zeiten der Pandemie?
  • Welche Konsequenzen haben diverse Öffnungs- und Schließungsmechanismen unterschiedlicher Räume und Raumkonfigurationen für Kindheit und Kinder?
  • Welche Kindheitskonstruktionen lassen sich in den politischen, öffentlichen, wissenschaftlichen Corona-Diskursen ausmachen?
  • Welche Bedeutungen und Funktionen von Kind/Kindheit respektive Kindheit/Erwachsenheit drücken sich in den politischen Maßnahmen für die Praktiken kapitalistisch-gesellschaftlicher Reproduktion aus?

Wir bitten um Vortragsvorschläge (deutsch oder englisch) von maximal einer Seite (ca. 400 Wörter) bis zum 15. März 2021 an Christoph T. Burmeister (christoph.burmeister(at)hu-berlin.de), Raphaela Kogler (raphaela.kogler(at)univie.ac.at) und Lars Alberth (alberth(at)leuphana.de).

Symposium: Universitäre Redefreiheit und Wahrheitsanspruch

Online-Symposium: Universitäre Redefreiheit und Wahrheitsanspruch
Ein Spannungsverhältnis und seine Gestalt in Zeiten aktueller Konjunktur des Nationalistischen
Termin: Mi. 28. April 2021, 16:00-20:00 Uhr
Anmeldung unter: nicole.irmler(at)univie.ac.at
Anmeldefrist: 28.02.2021
Einladung als PDF: Hier.
Jacques Derrida hat in seinen Ausführungen zu der „Unbedingten Universität“ die Universität als einen Ort bezeichnet, an dem Begriffe und Einsichten beständig neu zu denken sind und neu gedacht werden können. Die Universität ist ein in diesem Sinne privilegierter Ort. Sie ist ein Ort und vielleicht der Ort, an dem nichts außer Frage steht. Doch diese Maxime des prinzipiellen Einbezugs jeder Denk- und Sprechmöglichkeit in den Raum des universitär Sagbaren kann jederzeit instrumentalisiert werden, um Interessen und Bedürfnissen zu entsprechen, deren erstes Ziel weniger Erkenntnis als vielmehr die Zurückweisung der politischen, auch erkenntnispolitischen Ansprüche Anderer ist.
Allerdings beanspruchen mit dem Argument der Meinungs- und Redefreiheit auch Akteur*innen den universitären Raum, die es weniger auf Erkenntnissuche denn auf die Durchsetzung ihrer Weltanschauungen abgesehen haben. Auch an den Universitäten in Österreich und Deutschland ist zu beobachten, dass nicht nur vermehrt nationalistische und rassistische Schemata als Weltsicht artikuliert werden, sondern diese Artikulationen mit Bezug auf das auch an der Universität zu gelten habende Gebot der Rede- und Meinungsfreiheit abgesichert und ermöglicht werden.
Im Namen der Redefreiheit sind an Rassekonstruktionen anschließende und diese bestärkenden Aussagen etwa über „die Muslime“, „den Islam“, „die Migranten“ vermehrt auch an den Universitäten vernehmbar. Im Kontext vermehrter menschenrechtsverletzender, partikularistischer Entwicklungen in Europa und der Welt, die in der Konstruktion, Abwertung und Dämonisierung Anderer ihre ideologisch- legitimatorischen Elemente finden, stellt sich die Frage, wie die Universität und die Wissenschaften auf das Erstarken dieses Denkens, auch im akademischen Raum, reagieren. Angesichts der Geschichte des Rassismus, der an der Universität einen zentralen Ort seiner Entstehung fand, scheint der Glaube daran, dass sich „die Wahrheit“, und nicht das rassistische Denken, schon durchsetzen werde, allein nicht auszureichen. Zusehen und zuwarten? Den (durchaus fortgeschrittenen) Anfängen wehren? Das argumentative Gespräch mit jenen suchen, die gegen Menschenrechte und Gleichheit und für die autoritäre Zensur der Widerrede arbeiten?
Aber ist hier nicht bereits eine Voraussetzung gemacht, die das Primat der Erkenntnis und das Gebot, dass nichts außer Frage stehen darf, einschränkt? Muss die Möglichkeit, dass rassistische oder auch sexistische Perspektiven, dass also die essentielle Ungleichheit des Menschen, die seine gruppenspezifischen, differentiellen Anrechte und Privilegienrechtfertige, als Denkmöglichkeit in Betracht genommen werden? Verlöre dann aber nicht die Universität ihre institutionelle Berechtigung in der Demokratie? Und weist dies auf ethische Grundlagen der Universität und der Wissenschaft hin, die dem Erkenntnisprozess vorausgehen?
Welche Aufgabe und Verantwortung kommen den Akteur*innen an der Universität und der Wissenschaft in dieser politischen Situation zu? Hat sie unter der Vorstellung der „Redefreiheit“ rassistischen, sexistischen und nationalistischen Positionen in die Räume der Universität Einlass zu gewähren? Was hat die Universität zu entgegnen? Welche Dynamiken entstehen im Rahmen dieser Auseinandersetzungen innerhalb der Universitäten? Wer profitiert von diesen? Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung findet am Mittwoch, den 28. April, von 16:00 bis 20:00 Uhr online das Symposium „Universitäre Redefreiheit und Wahrheitsanspruch“ statt, an dem Wissenschaftler*innen unterschiedlicher Disziplinen aus Deutschland, Österreich und Ungarn beteiligt sind.
Die Reihe Verantwortung der Universität
Im November 2018 fand im Rahmen der Reihe Verantwortung der Universität die Veranstaltung „Die zunehmende kulturelle Legitimität nationalistischer Positionen – Gesellschaftspolitische Verantwortung der Wissenschaft“ statt. Wir möchten mit dem Symposium „Universitäre Redefreiheit und Wahrheitsanspruch“ daran anknüpfen und dazu einladen, die Auseinandersetzung mit dem Thema „Verantwortung der Universität“ an unterschiedlichen universitären und außeruniversitären Orten der Wissensproduktion weiter zu verfolgen und im Rahmen kleinerer und größerer Veranstaltungen öffentlich zu thematisieren. Wir wünschen uns, dass von unserer überfachlichen Veranstaltung ein Impuls ausgeht, der zukünftige Aktivitäten zu dem Thema an unterschiedlichen Orten, in unterschiedlichen disziplinären Ausrichtungen und in unterschiedlichen intellektuellen Konstellationen zur Frage der Verantwortung der Universität, der Wissenschaft, der Kunst, der Intellektuellen in dieser Zeit erstarkender nationalistischen und rechtsextremen Denkens und Handelns anregt.
Initiator*innen:
Univ.-Prof.in Dr.in Bettina Dausien (Universität Wien, Institut für Bildungswissenschaft, Arbeitsbereich Bildung und Beratung im Lebenslauf), Univ.-Prof.in Dr.in İnci Dirim (Universität Wien, Institut für Germanistik, Arbeitsbereich Deutsch als Zweitsprache, und Zentrum für Lehrer*innenbildung), Univ.-Prof. Dr. Paul Mecheril (Universität Bielefeld, Fakultät für Erziehungswissenschaft, AG Migrationspädagogik und Rassismuskritik)
Mitorganisierende:
Dr.in Assimina Gouma, Mag.a Nicole Irmler (Universität Wien, Institut für Germanistik – Arbeitsbereich Deutsch als Zweitsprache), Ass.-Prof. Dr. Hannes Schweiger (Universität Wien, Institut für Germanistik und Zentrum für Lehrer*innenbildung)

INDI – Research Across Boundaries

Research Across Boundaries: Challenges of Interdisciplinary Work in the Context of Law 
18 June 2021 | REWI Graz Day of IN(ter)DI(sciplinary) Research 2021
REWI Graz, the Faculty of Law at the University of Graz has a long-standing tradition of encouraging interdisciplinary research among its members. Still, notwithstanding this approach, the faculty is eager to listen to others, to learn from their experiences and to provide fora that allow academics from different countries and different traditions to meet and to exchange their views.
On 18th June 2021 the faculty has invited scholars from all disciplines to present papers on the theoretical and methodological challenges of interdisciplinary research in the context of law with a focus on climate change, artificial intelligence and autonomous driving, as well as digitalisation and cybersecurity.
More details on the programme, venue, registration, etc., are available at REWI GRAZ.
For further information please contact Maddalena Vivona (indi@uni-graz.at).