Stammtisch der Sektion Soziale Ungleichheit: Ungleichheiten in der Sorgearbeit

Nach den zahlreichen covidbedingten Online-Veranstaltungen lädt die Sektion Soziale Ungleichheit wieder „live“ zum Stammtisch ein. Am 1.6.2023 war es soweit. Im Salletl am UniCampus/AAKH waren Fabienne Décieux (Uni Wien/JKU Linz) und Raphael Deindl (JKU) zu Gast. Unter dem Titel „Sorge und Sorgearbeit im Gegenwartskapitalismus. Widersprüche. Gleichzeitigkeit und Uneindeutigkeiten in der Kinderbetreuung“ gaben Sie Einblick in ihre aktuelle Forschung und diskutierten mit Sektionsmitgliedern und Gästen.

Fabienne Décieux ist Mitarbeiterin im FWF-Projekt „NorM-Normen rund um Mutterschaft“ am Institut für Soziologie der Universität Wien. Mit ihren Schwerpunkten Care- und Geschlechterforschung und Arbeitssoziologie ist sie darüber hinaus in der Abteilung für Gesellschaftstheorie und Sozialanalysen an der Johannes Kepler Universität Linz beschäftigt. Raphael Deindl arbeitet in derselben Abteilung des Instituts für Soziologie an der JKU in den Bereichen Gesellschafts- und Kapitalismustheorie, Politische Soziologie und Wohlfahrtsstaatsforschung.

Am Beispiel der österreichischen Familien- und Kinderbetreuungspolitik fragen sie, inwiefern der neoliberale Umbau des Sozialstaats neue Anforderungen und Ansprüche an Sorge und Sorgearbeit sowohl in der Kindheitsphase als auch an Frauen als Arbeitskraft und primär Sorgeverantwortliche mit sich bringt und welche Ungleichheiten damit verbunden sind. Genauer zeigen sie, auf welche Weise neoliberale Diskurse und Politiken, die transnational diffundieren und so auch in Österreich „ankommen“, mit den hier herrschenden traditionellen und konservativen Politiken und Werten in der Organisation der frühen Kinderbetreuung interagieren. Im Vortrag richten sie ihren Fokus auf Ungleichheitsverhältnisse in der Familie und in der professionellen Betreuungsarbeit.

Leitend für den Umbau des Sozialstaats ist der neoliberale Ansatz des „sozialen Investments“ (social investment), der von inter- und supranationalen Organisationen propagiert wird. Im Kern geht es bei diesem „private-public social welfare mix“ um eine möglichst optimale Entwicklung des sogenannten „Humankapitals“. Dieses Leitmotiv wird bereits in der frühen Kinderbetreuung wirksam, wie die beiden anschaulich zeigen. „Voll aktivierte“ Eltern und Schulbildung statt elementarpädagogischer Inhalte prägen nicht nur private elementare Bildungseinrichtungen in Wien.

Die beiden Dissertationsprojekte, auf denen die Vorträge aufbauen, ergänzen sich auf bereichernde Weise: Während sich Décieux mit Expert*inneninterviews und teilnehmenden Beobachtungen den Anforderungen und den Arbeitsverhältnissen in der Kinderbetreuung widmet, sind es bei Deindl die familienpolitischen Reformen der schwarz-blauen Regierungskoalition ab 2000, u.a. die Reform der Familienbeihilfe und die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes, die er mittels einer historisch-materialistischen Policy-Analyse beforscht.

Décieux und Deindl gehen dabei theoriegleitet vor: Sie beleuchten die Neuverhandlung und die widersprüchlichen Elemente in der Organisation der Kinderbetreuung mit Konzepten kritischer Kapitalismus- und Gesellschaftstheorien, u.a. von Karl Polanyi und aus der feministischen Care-Forschung.

Beide stellen De- und Re-Familialisierungsprozesse fest, die sich durchaus widersprüchlich, nebeneinander und inkohärent entwickeln: Einerseits findet unter dem Vorzeichen der „sozialen Investition“ eine Ökonomisierung und Vermarktung des Betreuungssektors mit verpflichtenden Elementen statt. Andererseits wird die Familie als der eigentliche Ort der Fürsorge staatlich gestärkt, und zwar als „Renationalisierung der Familie“ im Kontext schwarz-blauer Sozialpolitik.

Die Gleichzeitigkeit neoliberaler und konservativ/reaktionärer Politikelemente scheint Individualisierung und familialistische Kultur in der Kinderbetreuung in Einklang zu bringen. Tatsächlich verstärkt sie, so Décieux und Deindl, eine vergeschlechtlichte Individualisierung von Aufgaben, Anforderungen und Entscheidungen im Bereich der Sorgearbeit. Sie perpetuiert, schlussfolgern sie, die Sorglosigkeit des zeitgenössischen Kapitalismus.

Organisation und Dokumentation des Stammtischs
Karin Fischer
Sektion Soziale Ungleichheit/JKU
karin.fischer(at)jku.at

Veranstaltungsrückblick: „Grounded Theory Methodologie“ mit B. Hönig

Grounded Theory Methodologie – Eine praxisorientierte Einführung

Wir freuen uns, die Workshopdokumentation zum Thema „Grounded Theory Methodologie“ unter der Leitung von Priv.-Doz. Mag. Dr. Barbara Hönig vorstellen zu können. Der Workshop wurde von der ÖGS Sektion „Soziologische Methoden und Forschungsdesigns“ veranstaltet und fand virtuell über Zoom an zwei Halbtagen statt.

Neun Teilnehmer:innen, hauptsächlich Doktoratsstudierende von verschiedenen österreichischen Universitäten, nahmen an diesem interaktiven Workshop teil. Unter der fachkundigen Anleitung von Dr. Hönig erhielten die Teilnehmer:innen eine umfassende Einführung in die Grundlagen und Prinzipien der Grounded Theory Methodologie. Dabei wurden verschiedene Aspekte behandelt, darunter die Fallauswahl, das Kodieren und die Darstellung der Ergebnisse in Forschungsarbeiten.

Der erste Workshoptag begann mit einer allgemeinen Einführung in die GTM, gefolgt von einer Erklärung der Entwicklungsgeschichte und der zentralen Begriffe. Es wurden auch verschiedene Verfahren des Samplings und Kodierens vorgestellt sowie die Einsatzmöglichkeiten der GTM in konkreten Forschungsvorhaben diskutiert. Nach den theoretischen Grundlagen wurden praktische Übungen durchgeführt, um die erlernten Prinzipien anzuwenden.

Am zweiten Workshoptag wurden Fragen der Teilnehmer:innen beantwortet und das Kodierverfahren der GTM anhand von Beispielen erklärt. In einer Gruppenübung hatten die Teilnehmer:innen die Möglichkeit, das offene Kodieren direkt anhand von Interviewausschnitten zu erproben. Abschließend wurde auf die Darstellung der GTM in Forschungsarbeiten eingegangen und typische Probleme sowie Lösungsansätze diskutiert.

Wir bedanken uns herzlich bei Dr. Barbara Hönig und allen Teilnehmer:innen für ihre aktive Beteiligung und freuen uns, Sie bei weiteren Sektionsaktivitäten begrüßen zu dürfen!

Ihr Team der ÖGS Sektion „Soziologische Methoden und Forschungsdesigns“

Urban Space & Landscapes: Stadt- und Raumforschung im Nexus von Theorie und Empirie II

Vom 19.5 bis 20.5. findet der internationale Workshop „Urban Space & Landscapes: Stadt- und Raumforschung im Nexus von Theorie und Empirie II“ am Institut für Europäische Ethnologie der Universität Wien statt. Es nehmen daran 14 internationale Forscher:innen und die Organisatorinnen Sarah Nimführ und Cornelia Dlabaja teil. Im Rahmen des Workshops findet ein intensiver Austausch zwischen dem Nexus aus Theorie und Empire statt. In den Beiträgen der Workshopteilnehmerinnen werden diese Ausschnitte ihrer Forschung im Nexus aus Raumtheorie diskutieren. Räumliche Ungleichheiten, im Kontext von Raumproduktion, Imaginationen des Urbanen, Arbeitsmigration und postkolonialer Strukturen werden in diesem Kontext thematisiert und reflektiert.

Teilnehmer:innen des Workshops sind Forscherinnen in unterschiedlichen Stadien ihrer wissenschaftlichen Kariere. Es nehmen Professorinnen wie Anne Brüske, Senior Researcher wie Simone Egger und Lina Schröder teil, aber auch Kolleg:innen die ihre Dissertation verfassen wie Sophie Mélix oder Mirjana Mitrovic.

Ziel des Workshops ist es aus dem inhaltlichen Austausch der Workshops, die seit November 2021 stattfinden ein Arbeitsbuch zu schaffen bei dem entlang ausgewählter Raumtheorien Empire und Theorie miteinander verknüpft werden und die Beiträge eine Hilfestellung für Forscherinnen bilden die sich raumtheoretisch fundiert mit gesellschaftlichem Transformations-, Aushandlungs- und Ungleichheitsprozessen befassen.
Als Rahmenprogramm gibt es ein gemeinsames Abendessen und einen Spaziergang zu „Urbanen Transformationen und Aushandlungsprozessen in der Stadt“. Der Workshop wird mittels der finanziellen Unterstützung des Instituts für Europäische Ethnologie und der Österreichischen Gesellschaft für Soziologie, sowie der ÖGS Sektion Ungleichheit realisiert.

Workshopbeiträge:

Alina Becker (LMU München)
Urbane Assemblagen. Zur Relationalität von städtischen Räumen am Beispiel einer Münchner Straße

Anne Brüske (Universität Regensburg)
Raumproduktionen und Macht in und durch Literatur: Hispaniola als Sozialraum in der Kurzgeschichte „Monstro“ von Junot Díaz

Nicolas Goez (Bauhaus-Universität Weimar)
Urbanisierung: ein Spannungsfeld zwischen Theorie und Empirie.

Natalia del Carmen Eduardo Dávila (FU Berlin) & Sebastián Eduardo Dávila (Leuphana-Universität Lüneburg)
Walking text and writing space. Reflections of the contemporary ladino-a in Guatemala´s Ciudad Cayalá.

Simone Egger (Alpen-Adria-Universität Klagenfurt)
Z-Common Ground, Sugar Mountain, Kunstlabor 2. Raumpolitiken, Ästhetik und die Ökonomisierung der Stadt.

Judith M. Lehner (Universität für Angewandte Kunst Wien)
Die urbane Leere. Relationale Raumperspektiven auf Transformationsprozesse in Europa und Lateinamerika

Mirjana Mitrovic (Universität der Künste Berlin)
Flanerie – A moving method from Walter Benjamin to Flexen

Lina Schröder (Paris Lodron Universität Salzburg)
Die Stadttopographie Kevin Lynchs (1989) – „moderne Stadtplanung“ als historisches Konzept für den epochenübergreifenden, transregionalen Stadtraumvergleich

Victoria Huszka (Universität Bonn)
Die alltagsweltliche Produktion regionaler Räume aus Perspektive der Kulturellen Politischen Ökonomie (CPE) am Beispiel Ruhrgebiet

Ana Rogojanu & Georg Wolfmayr (Universität Wien)
Verwettbewerblichte Räume, verräumlichter Wettbewerb. Zusammenhänge zweier Konzepte in den Forschungsfeldern Stadt und Wohnen.

Call for Papers "Veränderte Ein- und Ausschlüsse in der Migrationsgesellschaft?"

Wir freuen uns über Einreichungen bei unserem Call for Papers „Veränderte Ein- und Ausschlüsse in der Migrationsgesellschaft?“ beim ÖGS Kongress in Salzburg von 28.-28.9.2019.
Kaum ein anderes Thema der Sozialwissenschaften hat eine so reiche Diskussionstradition wie Fragen der gesellschaftlichen Inklusion und Exklusion, der (Nicht-) Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft und der Beziehungen einzelner Gemeinschaftsmitglieder zueinander. Ein- und Ausschlüsse werden unter verschiedensten Blickpunkten analysiert, seien es beispielsweise soziale Ungleichheiten, geschlechterspezifische Aspekte oder nationalstaatliche Perspektiven. Bedingt durch Veränderungen in den Bevölkerungsstrukturen und bestimmte Dynamiken öffentlicher, politischer und auch wissenschaftlicher Diskurse rückte in den letzten Jahren das Thema Migration in vielen Ländern immer stärker in den Fokus der Aufmerksamkeit. Diese Session möchte den Veränderungen und/oder Kontinuitäten bei Inklusions- und Exklusionsprozessen in Migrationsgesellschaften nachgehen.
Wir wollen uns daher mit folgenden Fragen befassen:

  • Sind neue Dynamiken der In- und Exklusion festzustellen, inwiefern weisen diese historische Kontinuitäten auf und sind bestimmte Spezifika auszumachen?
  • Welches Verständnis von Gemeinsacht ist vorherrschend und wie hat sich dieses in Hinblick auf Zugehörigkeiten und deren Legitimation verändert?
  • Wie wird Inklusion und Teilhabe in Migrationsgesellschaft gelebt? Welche Rolle spielen hierbei (Sozial-)Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft?
  • Wie (re)konfigurieren sich ‚alte‘ Solidargemeinschaften wie bspw. Gewerkschaften und Sozialstaat im migrationsgesellschaftlichen Kontext? Bilden sich neue Solidaritätsbeziehungen heraus und wie können diese beschrieben werden?
  • Welche Kontinuitäten und Veränderungen sind hinsichtlich gesellschaftlicher Exklusionsprozesse, wie etwa Rassismen, Sexismen, Ableismen, Klassismus und deren Verschränkungen festzustellen? Wie lassen sich diese Entwicklungen beschreiben und erklären?

Sprachen: deutsch/englisch
Bitte senden Sie einen aussagekräftigen Abstract Ihres geplanten Vortrags im Umfang von max. 400 Wörtern/3.000 Zeichen bis spätestens 31. März 2019 an clara.holzinger@univie.ac.at . Über die Annahme werden Sie bis spätestens Ende April 2019 informiert.

Migration und Bildung: Die Bedeutung soziologischer Migrationsforschung für Praxis und Politik

Die Veranstaltung  am 7.12.2018 in Wien (Institut für Soziologie) wurde zahlreich besucht und es fand eine rege Diskussion im Anschluss an den Vortrag von Frau Prof.in Dr.in Juliane Karakayali zum Thema: „Parallelklassen. Schule, Segregation und die Produktion von natio-ethno-kultureller Zugehörigkeit“ statt.
Zum Nachlesen: Der Forschungsbericht „Die Beschulung neu zugewanderter und geflüchteter Kinder in Berlin“

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

ÖGS-Kongress 2015: Präsentationen der zwei Panels "Evaluative Vermessung des 'Sozialen'" stehen zum Download bereit

Nähere Informationen finden Sie auf der Website der Sektion „Soziale Arbeit“ unter dem Menüpunkt „ÖGS-Kongress 2015“: http://homepage.univie.ac.at/Hemma.mayrhofer/index.php?option=com_content&view=article&id=12&Itemid=13 – Herzlichen Dank an die Referentinnen und Referenten für die zur Verfügung gestellten Präsentationen!

ÖZS-Themenheft "Soziale Arbeit in gesellschaftlichen Transformationsprozessen"

Heft 4/2014 der ÖZS steht unter dem Thema „Soziale Arbeit in gesellschaftlichen Transformationsprozessen“. Das von Arno Pilgram herausgegebene Heft umfasst Beiträge von Albert Scherr, Hemma Mayrhofer, Julia Dahlvik & Christoph Reinprecht, Karina Fernandez, Nadja Bergmann sowie Johannes Pflegerl. Nähere Informationen unter: http://link.springer.com/journal/11614/39/4/page/1